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Respekt und Verärgerung

24. Februar 2010

Nun also doch. Die deutsche Päpstin der Evangelen räumt ihren Stuhl. Dafür, dass sie betrunken am Steuer erwischt wurde. Respekt für diesen Schritt. Die Frau hat offenbar hohe Ansprüche, nicht nur an andere – sondern vor allem an sich selbst. Sie bewahrt damit ihre Glaubwürdigkeit und Autorität. Obwohl ich diesen Schritt noch immer für völlog überflüssig halte. Vor allem, wenn ich daran denke, dass ein Mann bei gleichem Vergehen nie hätte gehen müssen.

Gestern Abend habe ich lange mit einem lieben Bekannten telefoniert, der mir Käßmanns heutigen Schritt quasi schon ankündigte. Er sagte mir, wenn er ihre Telefonnummer hätte, würde er sie anrufen und ihr genau das raten. Gewiss hätte er das getan., obwohl er sie – glaub ich – nicht persönlich kennt. Aber von „Jünger“ zur „Päpstin“ wäre das wohl gegangen. 🙂

Wie hat er das gemeint? Lange habe ich darüber nachgedacht. Letztlich scheint es aber zu stimmen. Denn sie hat selbst der Debatte um ihre Person ein Ende gesetzt. Sie hat selbst für sich entschieden. Wenn ich nur an die (männlichen) Bischöfe in ihrer Bischofskonfernz denke, wie sie ihr das „Vertrauen“ ausgesprochen haben. Ob sich einer wirklich hinter sie gestellt hat? Ich bezweifle es. In den Medien hat sich zumindest niemand für sie eingesetzt. Hat niemand die Päpstin in Schutz genommen. Für Verständnis gebeten – für den Stress, welches das Amt mit sich bringt, für die Last. Nein. Geschwiegen haben sie alle. Mal wieder. Genau so, wie ich mir Kirche vorstelle – bislang aber eher die katholische. Was kam von der Politik? Nichts. Nur eine hat sich gemeldet und Konsequenzen angemahnt. Und die andere Kirche? Die hat sich gewiss scheinheilig ins Gebetbuch gelacht und in den Himmel Stoßgebete gesandt, dass die Ablenkung von den eigenen Skandalen noch ein paar Tage andauert.

Der Schritt war wohl richtig für Käßmann. „Bleibe bei dem, was dein Herz dir rät“, sagte sie in der beeindruckenden Pressekonferenz. Persönlich hat sie sich gewiss einen Dienst erwiesen. Aber für ihre Kirche? Ich glaub nicht dran – die alten Herren, die von Beginn an gegen sie waren, weil sie Frau ist, geschieden und vier Töchter hat; die reiben sich doch die Hände. Erneuerung? Ich glaub da nicht dran…

Was mich ärgert, ist vor allem die Heuchelei. Welcher Autofahrer war immer völlig nüchtern? Da gibt es wohl sehr wenige. Oder? Es gibt Politiker, die haben noch viel schlimmere Vergehen begangen! Und wer ist gegangen? Kaum einer. Im Gegenteil –  Wiesheu ist, nachdem er im Suff einen Menschen tot fuhr noch Verkehrsminister in Bayern geworden. Das Depperl aus Bayern, der Beckstein, predigte noch vor einem Jahr auf dem Oktoberfest, dass man mit zwei Maas Autofahren kann. Und was passierte? Nix. Meist gibt es die unglaublichsten Rechtfertigungen – so wie Käßmann, von Anfang an Schuld eingestehen, das ist sehr selten. Und das ist das Bedauerliche. Aufrichtigkeit und Reue wird nicht belohnt. Im Gegenteil! Selbsternannte Moralapostel – wenn ich nur an diverse Foren im Netz gestern denke – spielten sie zur Trinkerin hoch, die Menschen überfahren hat.Was sie ja nun eindeutig nicht hat.

In soweit hat die Päpstin sich einen Gefallen getan, dass sie von ihren Ämtern von sich aus abgetreten ist. Hätte man ihr doch sonst ihre – Zitat Spiegel – „schlimme Sünde“ (gibt es auch gute Sünden?) immer wieder vorgeworfen. Noch einmal, ich will die Alk-Fahrt nicht verharmlosen. Aber man sollte die Kirche auch im Dorf lassen und die Päpstin hätte auf ihrem Thron bleiben müssen. Denn ich fand – zum ersten Mal in meinem Leben – Kirche als Institution spannend, da sie entstaubt und lebensfroh war…

  1. Peter
    25. Februar 2010 um 20:40

    Obwohl ich diesen Schritt noch immer für völlog überflüssig halte. Vor allem, wenn ich daran denke, dass ein Mann bei gleichem Vergehen nie hätte gehen müssen.

    Die Auszeichnung “ Frauenversteher des Jahres “ gebührt Ihnen allein.

    Wer besoffen Auto fährt, der handelt verantwortungslos. Es sollte mittlerweile klar sein, dass ein solches Verhalten nicht toleriert werden sollte und sanktioniert gehört. Diese Frau hochzujubeln, weil sie – ob nun freiwillig oder nicht – Konsequenzen tragen muss, das ist, moderat ausgedrückt, Unsinn.

    Ich behaupte – im Gegensatz zu unserem galanten Charmeur der sehr alten Schule – dass ein Mann zu Recht keine Sympathiebekundungen erwarten könnte, wenn er besoffen am Steuer erwischt würde.

  2. Tobias Kügel
    25. Februar 2010 um 21:42

    Wieso wird man „Frauenversteher des Jahres“ wenn man den sexistischen Quatsch der in den letzten Tagen in der Presse ablief nicht mitmachen will. Es stimmt doch das nichts passiert ist und andere Politiker und Kirchenleute bei ähnlichen Dingen ohne Probleme davon kommen… Kapiere diesen Kommentar nicht. Da hat wohl auch einer Probleme mit der Gleichberechtigung?

  3. Peter
    26. Februar 2010 um 17:56

    Gleichberechtigung ? Ob Mann oder Frau, wer besoffen Auto fährt, der verdient Kritik und keine Lobhudeleien. Und Frau Kässmann wird nun mal an ihren eigenen moralischen Ansprüchen gemessen. In ihrer Funktion wiegt ihr Fehlverhalten eben noch ein bisschen schwerer.

    Wenn Gleichberechtigung altbackenes „Beschützen der schwachen Frauen“ bedeutet, dann hab ich allerdings ein Problem damit. Das ist reaktionär – bürgerliche Galanterie, welche im Grunde Frauen für nur bedingt mündig und daher schuldfähig hält.

    Es gibt PolitikerInnen, die sich viel grössere Vergehen geleistet haben und keine Konsequenzen tragen mussten ? Ja sicher. So what ?

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